Der Blick über den Tellerrand

Die Gemeinde Budenheim im Landkreis Mainz-Bingen, ca. 20 Autominuten entfernt, hat das Bedürfnis, die Verkehrsbelastung von Straßen zu ermitteln. Die Zahlen werden von der Gemeinde verwendet, um konkrete Messwerte zur Verkehrssituation der subjektiven Wahrnehmung der Bürger gegenüber zu stellen. Die Messungen der Gemeinde werden mit einer Geschwindigkeitsmesstafel durchgeführt.

Die Ergebnisse der Messungen werden dann von der Gemeinde veröffentlicht.

Über die Eigenschaften einer ähnlichen Geschwindigkeitsmesstafel kann man hier etwas erfahren.

Uns ist nicht bekannt, ob solche Messtafeln auch für die Ermittlung der Verkehrsbelastung im Ausbaugebiet der Wald- und Frankenstraße eingesetzt wurden. Vielmehr ließen sich die Stadt und letztlich auch der Bauausschuss in der Vergangenheit immer wieder vom beauftragten Ingenieurbüro mit der Begründung vertrösten, dass kein Zählpersonal zu finden sei.

Nach einigen Monaten wurden dann doch Zahlen für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr angegeben.

Die Stadt hat bisher keine Details zur Ermittlung der Verkehrsbelastung für die untere Waldstraße veröffentlicht. Die Verkehrszahlen wurden während der Präsentation auf der Bürgerversammlung am 06. März genannt. Das Protokoll der Versammlung wurde bislang nicht von der Stadt veröffentlicht.

Die in der Bürgerversammlung angegebenen Verkehrszahlen bilden die Grundlage für die in der Variante 3 vorgestellte Verbreiterung der unteren Waldstraße. Für die Waldstraße wurde die Verkehrsbelastung mit 1.600 Fahrzeugen pro Tag, für die untere Rupertusstraße mit 1.900 Fahrzeugen pro Tag angegeben. Die Verkehrsbelastung der anderen Straßen ist uns nicht bekannt.

Ein Laie würde die Zahl von 1.600 Fahrzeugen pro Tag durch die Anzahl der Stunden eines Tages teilen und käme zu dem Schluss, dass pro Stunde 67 Fahrzeuge in der unteren Waldstraße unterwegs sind. Wir alle wissen jedoch, dass die Verkehrsbelastung in der Nacht geringer ist als am Tag. Wir wissen auch, dass die Spitzenbelastung nur zu bestimmten Tageszeiten eintritt, diese sind meist morgens und abends.

Ein Verkehrsplaner berücksichtigt bei seiner Planung immer die Spitzenbelastung. Wird demnach eine Straße für die Spitzenbelastung ausgelegt, dann kann diese Straße auch die übrige zu erwartende Verkehrsbelastung bewältigen. Für die untere Waldstraße bedeutet dies eine Spitzenbelastung von ca. 160 Fahrzeugen pro Stunde (Spitzenbelastung pro Stunde entspricht ca. 10 % der Belastung pro Tag).

Unsere Bürgerinitiative hatte für einige Wochen einen automatischen Verkehrszähler in Betrieb. Zur Messung wurde ein batteriebetriebener Bewegungsmelder, der seine Signale per Funk überträgt, verwendet. Der Empfänger wurde mit einem Computer gekoppelt, der dann die einzelnen Signale aufgezeichnet hat.

Mit dieser Messmethode erfolgt immer dann eine Zählung, wenn sich etwas im Erfassungsbereich bewegt. Dies kann ein Fußgänger, Radfahrer, PKW, LKW, Bus oder Tier sein.

Die automatisch ermittelten Werte haben wir mit manuellen Stichprobenbeobachtungen zu den Spitzenbelastungszeiten überprüft. 

Zunächst stellen wir den zeitlichen Verlauf der Verkehrsbelastung dar. Wie zu erwarten, sind die Zeiten der stärksten Belastung am Vormittag und am späten Nachmittag. Im ersten Diagramm sind die Mittelwerte über die gesamte Dauer der Messung und die jeweilige Tageszeit zu sehen.

 

Im zweiten Diagramm sind die gemessenen Spitzenwerte der Verkehrsbelastung sowie die dazugehörige Tageszeit dargestellt. Zur Vergleichbarkeit wird der Planwert der Stadt ebenfalls im Diagramm abgebildet.

 

Der Vergleich macht deutlich, dass der Planwert für die Auslegung der unteren Waldstraße ca. 40 % über dem von uns gemessenen Spitzenwert liegt. 

Für einen Verkehrsplaner würden weder die Planwerte der Stadt noch die von uns ermittelten Verkehrszahlen eine Verbreiterung der unteren Waldstraße rechtfertigen.

Eine Stadt ist immer gut beraten, eine Reserve einzuplanen und somit zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um ein langlebiges Bauwerk geht. Der Grundsatz der „Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit“ sollte auch hier angewendet werden.

In Anbetracht der vorliegenden Zahlen sollte die Stadt Bingen den Bürgern erläutern, auf welcher Grundlage diese Reserve eingeplant wurde. Mögliche Erklärungen könnten vom Stadtbauamt, Abteilung Stadtplanung, kommen. Gibt es zum Beispiel Ausbaupläne für das Schulzentrum, Planungen für weitere großflächige Wohnanlagen oder ein Stadtentwicklungskonzept für den Rochusberg?

Immer wieder taucht in den Protokollen des Bauausschusses der Begriff „Verkehrskonzept“ auf. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass dieses Verkehrskonzept lediglich eine Zusammenfassung der Zahlen zur Verkehrsbelastung ist. Eine Interpretation dieser Zahlen und die daraus zu ziehenden Schlüsse fehlen. Ein auf dieser Basis entwickeltes Verkehrskonzept für die Innenstadt und die erweiterte Innenstadt liegt nicht vor. Die Stadt Bingen hat es bis heute versäumt, ein zukunftsorientiertes Verkehrskonzept für diese Gebiete zu entwickeln.

Mit einem Verkehrskonzept wird die Stadt Bingen in die Lage versetzt, die notwendigen Straßenbaumaßnahmen in einem Gebiet über lange Zeiträume zu planen und diese schrittweise und gezielt umzusetzen. Ein Verkehrskonzept kann auch herangezogen werden, um sowohl den von Baumaßnahmen direkt betroffenen
Bürgern als auch den durch die dauerhafte Umlenkung von Verkehrsströmen
betroffenen Bürgern, die Notwendigkeit und Nachhaltigkeit schlüssig zu
erläutern.

Für den Ausbau der Wald- und Frankenstraße liegen bislang nur die Verkehrszahlen für den Kreuzungspunkt an der unteren Waldstraße vor.

Unsere Fragen

  • Welche Pläne gibt es, ein Verkehrskonzept für die Innenstadt und die erweiterte Innenstadt zu entwickeln?
  • Woher kommen die aktuellen Zahlen zur Verkehrsbelastung?
  • Wie und wann wurden diese Zahlen ermittelt?
  • Zu welchen Tageszeiten wurden die Spitzenwerte ermittelt?
  • Ist durch die Ermittlung der Verkehrsbelastung eine Unterscheidung des Verkehrs in Durchgangs- und Anliegerverkehr möglich?

Durch die aktuelle Diskussion über den Ausbau der Wald- und Frankenstraße treten die Überzeugungen und einseitigen Interessen der politischen Entscheidungsträger immer deutlicher in den Vordergrund und behindern eine objektive und konstruktive Sicht auf die eigentlichen Sachverhalte und Fakten.

Wir fordern die politischen Entscheidungsträger auf, zuerst ein Verkehrskonzept für die Innenstadt und die erweiterte Innenstadt zu entwickeln, bevor eine Entscheidung über den Ausbau der Wald- und Frankenstraße getroffen wird. Denn nur mit solchen Konzepten lassen sich zukunftsweisende und nachhaltige Entscheidungen für das Allgemeinwohl der Bürger einer Stadt treffen und Stückwerk verhindern.

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